„Wenn es einen Gott im Himmel gibt, der soll euch strafen!
”
Ich sage Ihnen, wenn Sie das nur vierzehn Tage mitmachen würden! Sie würden sagen: "Für den Rest meines Lebens habe ich genug!” Und wir mussten es sechs Jahre aushalten! Wie viele da erschossen wurden, obwohl sie gar nichts getan hatten. Nur weil sie nicht mehr gehen konnten. Wir sind zu den Feldern marschiert, um dort zu arbeiten. Die alten Frauen sind zusammengebrochen, es waren viele alte Frauen dabei, wenn sie zusammengebrochen sind, wurden sie von den SS-Frauen sofort mit dem Revolver erschossen. Dann haben die gelacht! Die eine hat daraufhin zur anderen gesagt - es waren meist drei bis vier SS-Frauen und zwei SS-Männer mit Gewehren: "Hast du das gesehen. Das war ein Schuß!” Und beide haben gelacht. Da dachte ich mir: "Mein Gott! Wenn es einen Gott im Himmel gibt, der soll euch strafen!” Und da war eine Frau mit ihrer Mutter. Die Mutter hat das nicht mehr aushalten können und hat sich im Klo eingesperrt. Dann wollten welche ins Klo, aber es war zu. Dann hat die Blockälteste - das waren auch Häftlinge, Blockälteste und Stubenälteste - die hat gesagt: "Da müssen wir nachschauen, was da los ist." Sie hat einen Sessel genommen und von oben in das Klo hineingeschaut. Die Frau ist dort gesessen, am Klo, und hat sich umgebracht, aufgehängt, die Mutter des jungen Mädchens. Dann haben sie die Tür aufgebrochen und die Frau herausgetragen. Das Mädchen ist zusammengebrochen und hat geweint. War ja ihre Mutter. Ich habe sie gefragt: "Was ist denn jetzt mit deiner Mutter? Warum tragen sie sie fort?" Sie ist mir um den Hals gefallen, hat geweint und gesagt: "Stell dir vor, meine Mutter hat sich umgebracht! Und jetzt tragen sie sie weg." Was glauben Sie, was sie dann mit dieser jungen Frau gemacht haben, weil sie um ihre Mutter geweint hat? Er hat sie mitgenommen, der SS-ler, und mit ihrer Mutter verbrannt. Da hat man nicht einmal um die eigenen Leute weinen dürfen. Da hättest lachen sollen, wenn sie unsere Leute umgebracht haben!
Es sind auch ältere Frauen gestorben, weil sie es nicht mehr ertragen konnten. Die sind alle verbrannt worden. Wir Jungen mussten wie Tiere arbeiten.
Und im Winter dieses Apellstehen, im Sommer ist es noch gegangen, aber im Winter von vier Uhr früh bis sechs Uhr in Hausschlapfen stehen. Auf einem Platz stehen! Wir durften uns nicht bewegen, die Arme nach unten wie ein Soldat...
Die SS-Frauen haben gar nicht mit uns geredet, sie haben uns nur Befehle zur Arbeit gegeben, sonst nichts. Und wenn jemand etwas nicht gemacht hat, was sie wollten, dann schlugen sie zu. Ich hatte ein zu großes, gestreiftes Kleid. Das hing an mir runter, weil ich so mager war. Das Kleid enger nähen konnte ich nicht, ich hatte keinen Zwirn und keine Nadel, deshalb hatte ich es mit einer Sicherheitsnadel etwas enger gemacht. Eines Tages befahl mir eine SS-Frau, Wäsche für die anderen zu holen. Da hast du ja nichts sagen können, "Jawoll” hast du sagen können und dann gehen. Und ich hatte mit der Sicherheitsnadel das Kleid zusammengesteckt. Als sie das sah, gab sie mir eine Ohrfeige, dass ich mir dachte, mein Kopf fliegt mir weg. Sie fragte mich: "Von
wo haben Sie das her?!” Ich konnte nicht sagen, dass ich es von einer deutschen Freundin hatte. Also behauptete ich, sie im Hof am Boden gefunden zu haben. Sie nahm mir die Sicherheitsnadel ab und steckte sie in ihre Tasche und meinte: "Noch einmal, aber dann kommt was anderes!”
Wenn wir Post gekriegt haben, haben wir es denen, die sich kannten, erzählt. Ich habe auch Briefe von zuhause bekommen. Wir haben einmal im Monat einen Brief verschicken dürfen. Man durfte schreiben: "Liebe Eltern. Mir geht es sehr gut, ich wünsche Euch das Gleiche.” Und den Namen drunter. Sonst nichts. Wenn eine etwas anderes hineingeschrieben hatte, wurde der Brief zerrissen und die Frau geschlagen. Viele konnten nicht schreiben, da haben ich und andere, die schreiben konnten, für sie Briefe geschrieben. Dreißig Briefe habe ich oft geschrieben. Die alten Frauen sind weinend gekommen und sagten, ich solle so nett sein und einen Brief für sie schreiben. Da konnte ich nicht nein sagen.
Aus: Ratuj mnie, reši me! (Rette mich), Österreichische Überlebende des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück, 65 min. Weitere Informationen zum Film finden Sie hier.
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