Anna Lasser (1913–1943)

„Und wie g’sagt, mir warn’ die Ärmsten unter den Armen.“ Stefanie Cudy, Tochter

Anna Lasser wurde 1913 in Klosterneuburg geboren. Mit 19 Jahren bekam sie ihr erstes Kind Leopold, zwei Jahre später kam die Tochter Stefanie zur Welt. Vom Vater der Kinder verlassen, heiratete sie 1935 Karl Burger. Die beiden wohnten zeitweise bei Verwandten, zeitweise in einer eigenen Wohnung, schließlich voneinander getrennt. Leopoldine, geboren 1936, und Christine, geboren 1937, kamen bei Pflegefamilien unter. 1938 nahm Anna Lasser Leopold und Stefanie zu sich. Als Hilfsarbeiterin sowie durch Betteln und Stehlen versuchte sie für sich und die Kinder ein Auskommen zu finden. 1939 reichte sie die Scheidungsklage ein, da ihr Mann keine Unterhaltsgelder zahlte und mit einer anderen Frau zusammenlebte. Nach der Geburt des jüngsten Kindes Adolf zog Anna Lasser die Klage gegen ihren Mann zurück. Von 1938 bis Jänner 1940 lebten Leopold und Stefanie bei der Mutter. In einer aufeinander abgestimmten Aktion wurden am gleichen Tag die Mutter von der Polizei verhaftet und die Kinder von der Fürsorge abgeholt. 14 Tage später reichte Karl Burger die Scheidungsklage ein. Anna Lasser wurde wegen Diebstahls zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt. Nach dem Ende der Haft wurde sie am 6. Mai 1941 auf Anordnung der Reichskriminalpolizei Berlin mit einem Sammeltransport ins KZ Ravensbrück verschleppt, wo sie am 2. 12. 1943 nach einer Giftinjektion verstarb.

Ihre Tochter Stefanie (Ausschnitt aus Interview, 1999):
„Ja, und von meiner Mutter weiß i sonst eigentlich nix, als wie dass sie da, wie wir mit der Fürsorge geholt worden sind, da hab is’ no’ g’sehn, auf des kann ich mich zwar erinnern, auch an die Kleidung, aber ich kann es nicht weitergeben. I kann mich erinnern, sie hat a Kleidl ang’habt, mit einer Jacken, die Haar hats’ so zruckg’habt, und i sehs’ heut’ no’ aufa gehn in der Albrechtsstraßen. Mehr kann i drüber net [red’n], ja?“
Und wie g’sagt, mir warn’ die Ärmsten unter den Armen, mir hamm nix zum Essen g’habt, a Bett hamma g’habt, da samma zu dritt drinnen g’legen, mir hamm nichts zum Zudecken gehabt als wie an Mantel, oder was ma’ halt so g’habt hat, zum Essen hamma nix g’habt, i bin täglich ‘gangen, in der Martinstraßen, da is die -, früher hats’ g’heißen s’Dreimäderlhaus, ja, da bin i halt alle Tag um mei’ Klostersuppen ‘gangen, wie ma’ so schön sagt. I war net die einzige, es san mehrere ‘gangen, aber i war halt a alle Tag dabei. Mit meine vier Jahr, fünfe, hab i scho’ klopft, mei Reinderl eini, des kann i mi a no gut erinnern.“


Ihre Tochter Leopoldine (Ausschnitt aus Interview, 1999):
„ … und von der Mutter wiss’ ma’ nur so viel, dass sie – durch eine Zeitzeugin, die i zufällig bei einem Fest in Gloggnitz getroffen hab’, und die mir gesagt hat, dass i ihr so wahnsinnig ähnlich schau, und – Burger, Burger, des war elektrisierend für sie. Na dann hat sie mir gesagt, also, die Annerl is’ in meinen Händen gestorben. (…)
Sie hat mir das gesagt, also, Ihre Mutter ist auch herangezogen worden zu sexuellen Handlungen, sie haben sie regelrecht geholt an Abenden, wenn diese SSler so Feste gefeiert haben, und sie is’ dann krank geworden, dann hamms’ es also weggeworfen. „




Anna Lasser: Die zwei Töchter erzählen unterschiedliche Varianten zur Entstehung dieses Fotos: Es sei vor der Inhaftierung der Mutter bzw. während der Untersuchungshaft auf Betreiben der Großmutter gemacht worden. (Foto: privat, um 1940).