„...da haben Sie sich nur gewunschen: einmal satt essen, mit Brot aber, und richtig durchschlafen und dann sterben...
”
Ein fürchterliches Lager war das. Und an Weihnachten, da hast du dann so eine Art Soßenfleisch bekommen, einen Schöpfer davon. Da haben wir uns gefreut an Weihnachten. Das war alles.
Interviewerin: Sonst haben Sie Jahr und Tag das gleiche Essen bekommen?
Immer. Nur eine Rübe, aber nicht viel. Wenn wir viel davon bekommen hätten, wäre es schon gegangen. Aber wir haben nicht viel bekommen. Die Juden und die Zigeuner waren da drinnen die Ärmsten. Die Politischen, die haben es nicht so schlecht gehabt. Die waren im Büro und in der Küche, die haben es nicht so schlecht gehabt, die Politischen. Aber die Juden und Zigeuner, die waren in einem Topf.
Da hast du dich nur nach Wärme gesehnt. Und im Sommer hast du wieder geweint nach dem Wasser, weil du nichts zu trinken bekommen hast. So war das. Sie haben nicht austreten dürfen, nicht aufs Klo gehen, das hat es beim Außenkommando gar nicht gegeben. Da hast du warten müssen, bis du wieder im Block warst. Die Frauen, die schlau waren, haben gar keine Unterhose angehabt. Da hat man sich schnell so hingestellt in einer Gruppe, dass die andere eben schnell ihre Notdurft erledigen konnte und die Aufseherin es nicht sieht.
Wissen Sie, Ravensbrück war ein ganz strenges Lager. Und als ich einmal meine Schürze gewaschen habe und sie am Abend am Fenster aufgehängt habe, haben sie den Hund auf mich gehetzt, damit er mich umbringt. Da waren ja Hunde, dressierte Hunde, die die Menschheit fressen. Da hat er mich gebissen und da, da hinten kannst du eine ganze Kinderfaust hineingeben, in die Brust, in den Kopf und überall. Und da waren zwei Frauen bei mir, intelligente Frauen, Kapos, aber das waren brave Frauen, die haben keinem Häftling etwas getan, die zwei Frauen. Die sind dann aufgestanden und haben für mich um mein Leben gebeten. In den Unterleib und überall hat er mich gebissen, und da habe ich mir gedacht, das wird ein trauriger Tod sein, bis ich wirklich tot bin, bis er mich am Hals erwischt. Und dann sind die Schmerzen schon so groß geworden, da habe ich meine Faust in sein Maul gesteckt, damit er nicht mehr beißen kann. Da haben sie mich wieder geschlagen mit dieser Rute, mit der Hundepeitsche. Bis eben die zwei Frauen... Das war so um acht oder neun am Abend. Das war so grauslich. Der ganze Körper ist verbissen von dem Hund. Und ins Krankenrevier habe ich mich nicht getraut zu gehen, denn dort hast du eine Spritze gekriegt und bist nicht mehr herausgekommen. Und meine Tante hat gesagt, der eigene Urin sei das beste. Und das habe ich dann eben immer gemacht, das habe ich daraufgegeben. Das hat fürchterlich gebrannt, aber es hat geheilt.
Wissen Sie, das war so ein Saustall in Ravensbrück. Und die Bibelforscher waren angestellt beim Kartoffelkeller. Wir haben sie überfallen wegen der Kartoffeln. Die haben nicht gesagt, du sollst etwas nehmen, sie haben nicht gesagt, wir sollen es nicht tun, gar nichts. Wir haben sie eben einfach überfallen. Naja, und dann sind die SS-ler oder die SS-Frauen gekommen: "Wo sind die Kartoffel für die Viecher!?" Da waren keine mehr da. Die haben aber nichts gesagt, die Bibelforscher.
Interviewerin: Die haben Sie nicht verraten?
Nein, aber der Deutsche hat verraten. Oder wenn Brot hereingekommen ist mit dem Lastauto, da haben Sie es beim Ausladen weiterreichen müssen, wie Ziegel. Und wenn du schnell warst, dann hast du dir ein Brot da hineingegeben.
Und weil das jemand gesehen hat, bin ich verraten worden. Aber niemand von unserem Stamm. Nur der Deutsche. Wieder hinein in den Bunker, in den Arrest. Da war so eine kleine Zelle, da konntest du nur drei Schritte hin- und hermarschieren, drei nach vor und drei zurück. Und es war finster da drinnen. Und überall ist das Wasser heruntergeronnen von der Mauer. Und das Bett war an der Wand befestigt mit einem Schloss, und der Sessel war auch befestigt mit einem Schloss. Und nichts angehabt, nur das Hemdchen, das Sie eben anhatten. Und ohne Schuhe auf dem Pflasterboden. Da waren Sie eben acht Tage oder vierzehn Tage drinnen. Und jeden dritten Tag haben Sie etwas zu essen bekommen. Das war auch eine Methode. Aber wenn Sie lang drinnen waren, wissen Sie, dann stellen Sie sich so ein, als wenn Sie alles sehen würden. Da kommt einem das alles dann so licht vor, wenn Sie lange drinnen sind. Jeden dritten Tag haben Sie dann eine warme Suppe bekommen, diese Wassersuppe. Dann bist du herausgekommen. Die eine hat sich die Zehen erfroren, die andere die Brustwarzen, die dritte - na ja, jede hat eben etwas abgekriegt. Ich war da zweimal drinnen.
Aus: Ratuj mnie, reši me! (Rette mich), Österreichische Überlebende des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück, 65 min. Weitere Informationen zum Film finden Sie hier.
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